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M&A-Aktivitäten im Klinik- und MVZ-Markt – Ausblick auf die künftige Entwicklung

Inflation, verschlechterte Finanzierungsbedingungen und intensive Reformbestrebungen des Gesetzgebers führen bei den Gesundheitsdienstleistern und ihren Eigentümern sowie bei potenziellen Kapitalgebern zu einer Zurückhaltung beim Kapitaltransfer.

6. November 2023

M&A-Aktivitäten im Klinik- und MVZ-Markt – Ausblick auf die künftige Entwicklung

Dr. Andreas Langemann

Inflation, verschlechterte Finanzierungsbedingungen und intensive Reformbestrebungen des Gesetzgebers führen bei den Gesundheitsdienstleistern und ihren Eigentümern sowie bei potenziellen Kapitalgebern zu einer Zurückhaltung beim Kapitaltransfer. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die derzeit transaktionshemmenden Aspekte wieder an Bedeutung verlieren werden und die M&A-Aktivitäten unter Beteiligung von Gesundheitsdienstleistern zunehmen. Die Rahmenbedingungen für M&A-Transaktionen werden dabei jedoch komplexer.

Bestandsaufnahme: Aktuelle Lethargie bei M&A-Transaktionen

Bei stationären Gesundheitsdienstleistern ist die Zahl der M&A-Transaktionen in klassischen Bieterverfahren zuletzt eingebrochen. Als Berater auf Verkäufer- und Käuferseite können wir derzeit fast nur Konsolidierungen innerhalb einer Trägergruppe oder vereinzelte Transaktionen im Rahmen von Sondersituationen, wie Insolvenzen, beobachten.

Zudem ist im ambulanten Sektor bei etlichen Arztpraxen das altersbedingte Nachfolgeproblem infolge des demografischen Wandels nach wie vor ungelöst; dennoch wechseln nur wenige Praxen den Inhaber.

Gründe für die Lethargie im M&A-Markt sind gestiegene Betriebskosten und schlechtere Finanzierungsbedingungen bei gleichzeitiger Regulierungsunsicherheit.

Wir können drei wesentliche Hemmnisse bei M&A-Transaktionen mit Beteiligung von Gesundheitsdienstleistern identifizieren:

1. Druck auf das Betriebsergebnis infolge der Inflation

Nicht nur die Sachkosten – und hier insbesondere die Kosten für Strom, Gas und Wärme1 – sind in den letzten zwei Jahren massiv angestiegen, sondern im Zuge der Lohn-Preis-Spirale auch die Personalkosten2. Weiter befeuert wurde die Personalkostensteigerung durch den Fachkräftemangel, der durch vermehrten Einsatz von Fremdpersonal ausgeglichen werden muss.
Dem Renditedruck aufgrund des Anstiegs der Betriebskosten steht ein höheres Renditeerfordernis wegen der ebenfalls gestiegenen Investitionsauszahlungen gegenüber3.
Denn die Inflation macht auch keinen Halt vor Bau- und sonstigen investiven Maßnahmen, so dass höhere Investitionsvolumina durch den Betrieb verdient werden müssen.

2. Schlechtere Bedingungen für Refinanzierung von Investitionsprojekten

Der Zangengriff aus Renditeerosion und wachsendem Renditeerfordernis könnte durch eine Senkung des Renditeerfordernisses gelockert werden. Wenn Investitionen im Klinikbereich zu 100% gefördert werden – wie es die Duale Krankenhausfinanzierung seit 1972 idealtypisch unterstellt -, müssten Investitionen nicht durch das Betriebsergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Ertragsteuern (sog. EBITDA) quersubventioniert werden.

Erst bei einer Förderquote kleiner 100% besteht – im Durchschnitt über alle Kliniken – die Notwendigkeit, den Eigenanteil der Investitionen durch ein positives EBITDA zu refinanzieren.

Gelingt das Schließen der Finanzierungslücke über eine auskömmliche Ergebnismarge nicht, ist der verbleibende Eigenanteil in der Regel über Fremdkapital zu decken. Als Folge der erhöhten Inflationserwartung sind jedoch die Zinssätze für das aufzunehmende Fremdkapital ebenfalls gestiegen. Die zu beobachtenden Zinserhöhungen verstärkten also im Zusammenspiel mit dem gestiegenen Finanzierungseigenanteil bei den Investitionen das Renditeerfordernis.

3. Reformunsicherheit in der Gesetzgebung

Dem Renditedruck über die Kosteninflation könnte andererseits begegnet werden, indem die Preise für erbrachte Gesundheitsdienstleistungen inflationsbedingt angehoben werden. Gerade hier bestehen gegenwärtig große Unsicherheiten im stationären (durch das Krankenhaus-Reformgesetz) wie im ambulanten Sektor (durch die MVZ-Reform).
Bei Krankenhäusern würden künftig die Grenzerlöse nach Einführung einer Vorhaltevergütung stark sinken, wodurch eine Mengenausweitung zur Gesamterlössteigerung wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheinen kann. Die Basisfallwerte werden zudem nur zeitverzögert an die Inflation angepasst, so dass die Kostensteigerung vorzufinanzieren ist
MVZs können den steigenden Fixkosten (für Personal, Miete, IT) durch eine Optimierung des Leistungsportfolios begegnen. Es ist allerdings zu befürchten, dass die MVZ-Reform zu einer Beschränkung der regionalen Expansionsmöglichkeiten führt. Auch besteht Unsicherheit darüber, ob das Geschäftsmodell für den Aufbau von überregionalen MVZ-Ketten künftig Bestand haben wird.

Folge: Unterschiedliche Wertvorstellungen der Marktteilnehmer

Aus der oben beschriebenen M&A-Lethargie bei Transaktionen von Gesundheitsdienstleistern folgt ein Dilemma:

  • Auf der einen Seite stehen Einrichtungen, deren aktuelle Liquiditätssituation die Zufuhr externen Kapitals erfordert.
  • Auf der anderen Seite befinden sich potenzielle Kapitalgeber, die hohe Liquiditätspositionen ausweisen oder mangels Anlagealternativen einen Einstieg bei einer Gesundheitseinrichtung in Erwägung ziehen müssten.

Warum also kapitalsuchende Gesundheitsbetriebe und strategische oder Finanz-Investoren derzeit nicht zusammenfinden, erscheint auf den ersten Blick unverständlich, könnte es doch über eine entsprechende Gestaltung der Vertragsbedingungen zu einem Kapitaltransfer kommen.

Offensichtlich beruht der ausgetrocknete M&A-Markt für Gesundheitsdienstleister auf unterschiedlichen Wertvorstellungen und Einschätzungen bezüglich der Entwicklung wertbestimmender Faktoren. Viele Träger oder Eigentümer hängen noch ihren Unternehmenswerten aus der Vor-Corona-Zeit mit einer kaum wahrnehmbaren Inflation und gleichzeitigen Niedrig- oder Nullzinsen nach. Die Kapitalgeberseite hat dagegen die Unternehmenswerte bereits an die geringere Margenerwartung und höheren Erlösrisiken nach unten angepasst.

Da es derzeit unterschiedliche Bewertungsvorstellungen gibt, unterbleibt schlichtweg der ursprünglich angedachte oder notwendige Kapitaltransfer. Infolgedessen können häufig die erforderlichen Investitionen nicht umgesetzt werden; Leistungen müssen aufgrund von Investitionsstopps eingeschränkt werden, weshalb die Renditen weiter abschmelzen.

Obwohl die „defensive“ Gesundheitsbranche grundsätzlich attraktiv ist, werden einige potenzielle Kapitalgeber die zu befürchtende Marktbereinigung abwarten, um einen verfrühten Einstieg mit vermeintlichem Fehlinvestment zu vermeiden.

Zu erwartende künftige Entwicklung

Die Zeitreihen-Grafik vom 01.01.2020 bis 30.09.2023 zeigt die monatliche Entwicklung der kurz- und langfristigen Zinssätze für Bundesanleihen sowie des Verbraucherpreisindexes im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat. Die Zeitreihen geben einen Hinweis, wie sich Zinssätze und Inflationsraten künftig möglicherweise verändern.

[Quellen: Zinsen – Zinsstrukturkurve börsennotierter Bundeswertpapiere/Monatswerte, Deutsche Bundesbank, Abfrage 02.10.2023, Inflationsraten – Entwicklung Verbraucherpreisindex/Vergleich zum Vorjahresmonat, Destatis Statistisches Bundesamt, Abfrage 02.10.2023.]

Wir gehen davon aus, dass sich der Markt für kontrollierte, selbst initiierte M&A-Verfahren mit Beteiligung von Gesundheitsdienstleistern wieder belebt.

Folgende Punkte scheinen dafür zu sprechen:

Zurückgehende Inflation

Wir gehen davon aus, dass die Inflationsraten ihren Höhepunkt überschritten haben und wieder auf ein langfristig durchschnittliches Niveau sinken. Das Statistische Bundesamt hat für September 2023 eine Inflationsrate von nur noch 4,5% im Vergleich zum Vorjahresmonat – nach 8,8% im November 2022 – ermittelt. In seiner Prognose vom 07.09.2023 schätzt das ifo-Institut eine Steigerung der Verbraucherpreise für 2024 von nur noch 2,6% und für 2025 von 1,9%4.

Durch eine konjunkturelle Abkühlung könnte sich zudem das Problem des Fachkräftemangels entschärfen, da sich Mitarbeitende wieder verstärkt dem konjunkturresistenten Gesundheitssektor zuwenden. Eine schlechtere Auftragslage bei Handwerk und Bauunternehmen vermindert möglicherweise den Druck auf die Baukosten. Schließlich ist zu hoffen, dass Digitalisierung und Entbürokratisierung die Produktivität erhöhen.

Verbesserte Refinanzierungsbedingungen

Die inverse Zinsstruktur indiziert für die Zukunft sinkende Zinsen für längerfristige Fremdfinanzierungen. So weisen Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von 25 Jahren seit Januar 2023 eine niedrigere Rendite auf als Bundesanleihen mit 0,5 Jahren Restlaufzeit. Dies deutet darauf hin, dass auch der Zinsgipfel bald erreicht ist und Banken wieder vermehrt Kredite ausreichen werden.

Zur Sicherung der Krankenhaus-Infrastruktur müssten die Bundesländer höhere Fördermittelquoten oder Zuschüsse gewähren. Eine zügigere Genehmigung und Gewährung öffentlicher Mittel wäre erforderlich, da die liquiditätsbedingten Planungsstopps den Investitionsrückstau derzeit weiter vergrößern. Die Hinweise der Krankenhäuser und Bundesländer mahnen nach dem Auslaufen der Coronahilfen eine zeitnahe Liquiditätssicherung an5)5.

Auflösung des Reformstaus


Die aktuelle Zurückhaltung der Kapitalgeber ist sicherlich zu einem Großteil auf die Planungsunsicherheiten zurückzuführen. Doch es ist zu vermuten, dass die Reformmaßnahmen bei Krankenhäusern und MVZs nicht so restriktiv ausfallen wie derzeit befürchtet. Schließlich sind die deutschen Gesundheitsdienstleister chronisch unterfinanziert, insbesondere mangelt es an Eigenkapital.

Um den Gesundheitssektor für dringend benötigte Kapitalgeber attraktiver zu gestalten, müssten also die Rahmenbedingungen eine hohe Kalkulationssicherheit bei auskömmlichen Margen in Aussicht stellen. Wenn es der gesellschaftliche Wille ist, dass künftig Ertragsmargen limitiert sein sollen (fälschlicherweise belegt mit dem Begriff „Entökonomisierung“), müssen im Gegenzug die Risiken bei der Erwirtschaftung dieser Margen entsprechend reduziert werden. Ansonsten würde in Zukunft das (Eigen-) Kapital nicht in dem benötigten Maße zur Verfügung gestellt werden, und die Leistungsbasis der Gesundheitsdienstleister dürfte weiter abnehmen.

Die Vergangenheit hat eindrucksvoll gezeigt, dass ständig neue Auflagen – etwa an Mindestmengen, Personaluntergrenzen, Qualitätsanforderungen oder Dokumentationspflichten – die Flächenversorgung gefährden können. Ist auch hier der allgemeine Wille die Erhaltung der Gesundheitsversorgung in der Fläche durch solitäre und kleine Einrichtungen, sollte den Auflagen eine adäquate Vergütung gegenüberstehen.

Unsere Prognose: In Zukunft wieder gesteigertes Interesse von Kapitalgebern

Für strategische wie für Finanz-Investoren war der Markt für stationäre Gesundheitsdienstleister schon immer eine Herausforderung.

Die hohe Kapitalbindung, der große Investitionsbedarf, ein hoher Fixkostenanteil bei gleichzeitiger Margenschwäche, die anspruchsvolle Regulatorik sowie der regional begrenzte Markt konnten in der Vergangenheit durch Planungssicherheit und de-facto-Beschränkung des Wettbewerbs kompensiert werden. Darüber hinaus schien die demografische Entwicklung die prognostizierten Einnahmen zumindest zu stabilisieren.

Diese Planungssicherheit ist wegen der Reformmaßnahmen aktuell nicht gegeben. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich die Rahmenbedingungen für Investoren im Hinblick auf die Kalkulationssicherheit bessern werden. Darüber hinaus kann schon jetzt in Antizipation der konkreten Ausgestaltung der Krankenhausreform vereinzelt beobachtet werden, dass durch einen Zusammenschluss eine höhere Versorgungsstufe erreicht und damit die Zukunft der betroffenen Einrichtungen gesichert werden soll.

Kapitalgeber im ambulanten Sektor, vor allem in der Vergangenheit aktive Finanzinvestoren, wurden vom angestoßenen Gesetzgebungsverfahren zur MVZ-Regulierung trotz des Trends zur Ambulantisierung abgeschreckt. Die drohende Einschränkung der Expansionsmöglichkeiten im Umkreis eines Plankrankenhauses oder in einem KV-Bezirk mag derzeit die Planungssicherheit und Handlungsspielräume für das angestrebte Geschäftsmodell derartiger Erwerbsinteressenten beeinträchtigen. Wenn hier aber wieder Klarheit besteht, haben die Kapitalgeber im ambulanten Sektor eine belastbare Kalkulationsbasis und können die Vernetzung in dem stark fragmentierten Markt vorantreiben.

Sprechen Sie mit unseren Expertinnen und Experten

Das regulatorische Umfeld für M&A-Transaktionen mit Gesundheitsdienstleistern wird auch in Zukunft anspruchsvoll bleiben und wohl weiter an Komplexität zunehmen. Insofern gewinnt auch ein strukturierter, auf die Besonderheiten der Einrichtung zugeschnittener M&A-Prozess sowie eine professionelle, markterfahrene Prüfung („Due Diligence“) des Transaktionsobjektes an Bedeutung.

Die Oberender AG verfügt als integriertes Beratungsunternehmen im Gesundheitssektor über die langjährige, umfassende Expertise, Leistungserbringer bei der Verbesserung ihrer Refinanzierungsfähigkeit zu unterstützen, die Attraktivität für Eigen- und Fremdkapitalgeber zu steigern und schließlich den Gesamtprozess für das Einwerben von Fremd- und Eigenkapital – auf Wunsch auch nur für einzelne Beratungsmodule – zu begleiten. Mehr erfahren Sie hier.

Lesen Sie dazu auch den aktuellen M&A Report:

M&A Report zum Download.

Fußnoten:

  1. Die Ausgleichszahlungen gem. § 26f KHG laufen im April 2024 aus ↩︎
  2. Tarifeinigung im öffentlichen Dienst: Inflationsprämie 3.000 € und Gehaltssteigerung um Sockelbetrag 200 € plus 5,5% ab 01.03.2024. ↩︎
  3. Tarifeinigung im öffentlichen Dienst: Inflationsprämie 3.000 € und Gehaltssteigerung um Sockelbetrag 200 € plus 5,5% ab 01.03.2024. ↩︎
  4. www.ifo.de/fakten/2023-09-07/ifo-konjunkturprognose-herbst-2023-konjunktur-deutschland-kuehlt-weiter-ab ↩︎
  5. Vgl. bspw. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/146243/%20Gesundheitsminister-erneuern-Ruf-nach-Liquiditaetssicherung-der-Krankenhaeuser ↩︎
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