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Das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG)

Chance für die Digitalisierung im Gesundheitswesen oder Überforderung der Versorgungslandschaft – ein kritischer Beitrag zu den gesetzlichen Neuerungen

25. Januar 2024

Das Digital-Gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz (GDNG)

Vera Horn

Chance für die Digitalisierung im Gesundheitswesen oder Überforderung der Versorgungslandschaft – ein kritischer Beitrag zu den gesetzlichen Neuerungen

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schneller auszubauen und digitale Anwendungen stärker in die Breite zu tragen – das bezweckt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem Gesetz „zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“, das am 14.12.2023 beschlossen wurde; im Kontext des unzureichenden Digitalisierungsgrades im deutschen Gesundheitseinrichtungen ist dieses Ziel sehr begrüßenswert. Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer werden jedoch mit mehr organisatorischem und bürokratischem Aufwand zu kämpfen haben, sodass der Druck zu den derzeitigen Herausforderungen wie Energiekostensteigerungen oder dem Fachkräftemangel zusätzlich steigen dürfte.

Die Herausforderungen der ePA

Die Befüllung der elektronische Patientenakte (ePA) ist Kern des neuen Gesetztes und zielt auf eine schnellere, bundesweite Verbreitung der ePA ab. Ab 2025 soll daher die Einrichtung der ePA für alle Patientinnen und Patienten beginnen, insofern diese nicht durch die sogenannte Opt-Out-Lösung widersprochen wird.

Unter anderem erhalten Patientinnen und Patienten eine überwiegend automatisch erstellte Medikationsübersicht, sodass die Patientensicherheit durch die Vermeidung von Wechselwirkungen gesteigert wird. Gleichzeitig werden die Mitwirkungspflichten für Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer deutlich erweitert. Dies betrifft beispielsweise die Befüllung der ePA mit Daten aus Arztbriefe, Befunden oder Befundberichten sowie die Digitalisierung von Altbefunden auf Verlangen von Patientinnen und Patienten oder die Überführung der ärztlichen papierbasierten in eine elektronische Behandlungsakte. Zudem entsteht eine Reihe neuer Aufklärungspflichten verbunden mit Bürokratie.

Während eine möglichst strukturierte, vollständige und möglichst automatisierte Befüllung der ePA positiv zu bewerten ist (z.B. digitale Medikationsübersicht), sollte die „einfache“ Datenbereitstellung jedoch nicht den Schutz patientenbezogener Daten gefährden. Im Kontext des parallel verabschiedeten „Gesundheitsdatennutzungsgesetzes“ (GDNG) ist dabei der leichtere Zugang zu Patientendaten für Forschung und Industrie grundsätzlich zu begrüßen, in der Ausgestaltung aber stellenweise kritisch zu sehen. So wird im Gesetz gleich zu Beginn in §1 GDNG die Orientierung am Gemeinwohl aufgeführt, obwohl in mehreren Stellungnahmen und im Gesundheitsausschuss die Unbestimmtheit dieses Begriffes hervorgehoben wurde. Auch die Möglichkeit der Nutzung durch Krankenkassen wird als Aufweichung der bisherigen Trennung zwischen Versorgungssteuerung und Kostenträgerschaft gesehen. Darüber hinaus stellt die Option für Patientinnen und Patienten, Daten von der ePA löschen zu können, eine Gefahr für die Patientensicherheit dar, wenn beispielsweise relevante medizinische Daten bei der Behandlung nicht sichtbar sind.

Verbindliche Einführung des elektronischen Rezeptes (E-Rezept)

Seit Mitte 2021 befindet sich die digitale Verordnung von Arzneimitteln bereits in der Einführung und funktionierte bislang auf freiwilliger Basis. Um die Nutzung des E-Rezeptes weiter auszubauen, ist die digitale Verordnung von Arzneimitteln für gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten nun ab Januar 2024 verbindlich. In den folgenden Jahren soll das E-Rezept dann auf weitere Anwendungsbereiche wie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), Betäubungsmittelrezepte, Krankenpflege oder Heilmittel ausgeweitet werden.

Einerseits kann die Einführung des E-Rezepts dazu beitragen, Prozesse zu vereinfachen und die Zugänglichkeit für Patientinnen und Patienten zu verbessern. Andererseits behindern immer noch komplizierte Registrierungsprozesse der eGK bei den Kostenträgern und technische Probleme der Telematik-Infrastruktur eine breitere Akzeptanz.

Cloud-Computing und Datensicherheit

Mit dem neuen §393 SGB V wird der Einsatz von Cloud-Computing-Dienstleistungen durch Krankenhäuser erstmals konkret geregelt. Dabei stehen Sicherheitsaspekte der Anbieter von Cloud-Dienstleistungen im Fokus.  Die Regelungen sind als Teil einer Reihe von Gesetzgebungsvorhaben zur Erhöhung der Cyber-Resilienz verschiedener kritischer Branchen vor dem Hintergrund steigender Cyberbedrohungen sinnvoll. Der Ausbau von Cloud-Computing im Gesundheitswesen wird gefördert. Für Krankenhäuser werden klarere Rahmenbedingungen für die wachsenden Angebote cloudbasierter Dienstleistungen hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit geschaffen.

Chancen der digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs)

Seit dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) 2019 können Patientinnen und Patienten DiGAs prinzipiell in Anspruch nehmen. Laut dem DiGA-Report 2022 der TK wurden in 2021 rund 19.000 DIGAs bei 12,1 Mio. TK-Versicherten (2023) genutzt[1]. Ähnlich wie bei ePA und E-Rezept soll die Nutzung von DiGAs daher für neue Anwendungsbereich ausgebaut und schneller verbreitet werden. Die Medizinprodukte-Klassifizierung wird künftig auf die höhere Risikoklassen ausgeweitet (IIb), um mehr Versorgungsmöglichkeiten zu schaffen (z.B. Telemonitoring). Positiv ist für die Patientenversorgung ebenfalls, dass die Gestaltung der DiGA-Preise noch stärker an Erfolgskriterien ausgerichtet werden und der Nutzennachweis für Patientinnen und Patienten weiterentwickelt und somit gestärkt wird.


[1] Techniker Krankenkasse: DiGA-Report 2022 (März 2022) https://www.tk.de/presse/themen/digitale-gesundheit/digitaler-fortschritt/diga-report-2022-2125138
(Stand: 10.01.2024)

Weitere zentrale Aspekte des Gesetzentwurfs
Videosprechstunden und Telekonsile:

Die Versorgung Versicherter mit telemedizinischen Angeboten soll ebenfalls stärker ausgebaut werden. Die derzeit geltenden Mengenbegrenzungen für Vertragsärztinnen und -ärzte von 30 % wird aufgehoben. Apotheken sollen über die „assistierte Telemedizin“ stärker eingebunden werden, wie zum Beispiel die Beratung und Anleitung zu ambulanten telemedizinischen Leistungen, sowie die Unterstützung ärztlicher Telemedizin durch die Übernahme einfacher medizinischer Routineaufgaben.

Zu begrüßen ist hierbei, dass Apotheken ambulante Leistungserbringer entlasten können. Gleichzeitig muss der Nutzen durch die steigenden Kosten für „assistierte Telemedizin“ durch Apotheken gewährleistet sein. Auch Hochschulambulanzen, psychiatrische Institutsambulanzen, sozialpädiatrische Zentren und medizinische Behandlungszentren können fortan telemedizinische Leistungen erbringen.

Neben den persönlichen Arztkontakten bieten Videosprechstunden und Telekonsile zudem das Potenzial die Folgen des Fachkräftemangels abzudämpfen, indem mehr Patientinnen und Patienten versorgt werden können. Die Behandlungsqualität kann durch weniger persönliche Arztkontakte aber möglicherweise reduziert und weniger lukrative Patientengruppen benachteiligt werden.

Interoperabilität:

Auch das Thema Interoperabilität soll durch ein „Kompetenzzentrum für Interoperabilität“ stärker ins Zentrum rücken, um die digitale Transformation voranzutreiben. Mit den jeweiligen Fachgesellschaften wie der kassenärztlichen Bundesvereinigung oder der deutschen Krankenhausgesellschaft sollen Interoperabilitätsstandards für beispielsweise Schnittstellen in Krankenhäusern, Daten in der elektronischen Patientenakte und weiteren Bereichen definiert werden. Stärkere Interoperabilität ist durchaus wünschenswert und dringend notwendig, jedoch hätte der Gesetzgeber eindeutigere Rahmenbedingungen vorgeben können, wie er es ja beispielsweise bei der Kommunikation nach §301 SGB V zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern bereits vorzeigbar getan hat.

Stattdessen besteht nun die unwahrscheinliche Option, dass sich Hersteller bei „Nichterfüllung“ von Interoperabilitätsstandards gegenseitig abmahnen. Insgesamt geht die Bearbeitung des Themas „Interoperabilität“ natürlich in die richtige Richtung. Ob durch ein solches Konstrukt der Gesetzgeber seine Vorstellungen von Interoperabilität realisieren kann, muss sich erst noch zeigen.

Digitalbeirat:

Ursprünglich war geplant, anstelle der gematik eine „Digitalagentur“ zu gründen, in der das Bundesministerium für Gesundheit 100%-iger Anteileigner geworden wäre. Anlass war die Kritik an den zum Teil langwierigen Abstimmungsprozessen und Verzögerungen bei unterschiedlichen Interessen der Selbstverwaltungspartner. Das Digital-Gesetz sieht nun vor, dass die gematik erhalten bleibt und durch einen „Digitalbeirat“ zu den Themen Datensicherheit und -schutz, Benutzerfreundlichkeit und Datennutzung beraten wird. Dieser „Digitalbeirat“ besteht aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Vertreter:innen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) sowie Mitglieder aus den Bereichen Medizin und Ethik.

Auch hier wird man beobachten müssen, ob die Schaffung von zusätzlichen organisatorischen Schnittstellen dem Ziel des Gesetzgebers gerecht werden kann.

Weitere Gesetzesänderungen:

Weitere relevante Gesetzesänderungen neben dem Digi-G sollten bei der Planung von Veränderungen im täglichen Betrieb von Gesundheitseinrichtungen berücksichtigt werden. Durch vermehrte Hackangriffe beispielsweise auf Krankenhäuser ist die Bedeutung des Themas Sicherheit sensibler Gesundheitsdaten zuletzt enorm gestiegen und zeigt Optimierungsbedarf. Das NIS2-Umsetzungsgesetz und das KRITIS-Dachgesetz sollen Datenschutz und -sicherheit erhöhen und sollten dringlich mitberücksichtigt werden, um das Unternehmensrisiko zu begrenzen.

Kritische Würdigung für Leistungserbringer und Leistungserbringerinnen

Das Digital-Gesetz und das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz sind ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung. Relevante Themen, die die digitale Transformation aktuell hemmen wie der Ausbau von ePA, Interoperabilität oder Cloud, werden adressiert.

So wie die Gesetze aber ausgeführt sind, bedeutet es für die Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer aber auch eine Zunahme an ohnehin nicht geringen Mengen an bürokratischem Aufwand.

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Quellen: Bundestag; Bundesgesundheitsministerium; Kassenärztliche Bundesvereinigung

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