1. Die Herausforderungen im Pflegemanagement
Das Pflegemanagement steht heute vor nie dagewesenen komplexen und vielfältigen Herausforderungen und unter einem immensen Druck. Neben Fachkräftemangel, ökonomischem Druck und Auswirkungen der Krankenhausstrukturreform, führen Globalisierung, Migration und demografische Verschiebungen zu einer Belegschaft, die nicht nur ein breites Altersspektrum abbildet sondern auch kulturell vielfältig ist.
Mit den Strategien und Instrumenten des klassischen Managements lassen sich diese Herausforderungen nicht mehr bewältigen. Ein stetiges „mehr vom Bisherigen“, wie beispielsweise Steuerung und Kontrolle durch Standards, Verfahrensanweisungen oder Dienstanweisungen führt nicht zu einer notwendigen Transformation.
Stattdessen wird von den Führungskräften im Pflegebereich ein hohes Maß an emotionaler Kompetenz, Präsenz und Transparenz gefordert, um den diversen Bedürfnissen ihrer Mitarbeitenden gerecht zu werden. Notwendige tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen gelingen letztlich nur mit einer passenden inneren Haltung aller Beteiligten.
2. Die Fakten
Generationen mit unterschiedlichen Anforderungen
Heute arbeiten in den Pflegeberufen bereits vier und bald fünf Generationen mit unterschiedlichen Erwartungen an das Arbeitsleben zusammen. Die Babyboomer und die Generation X werden im nächsten Jahrzehnt in den Ruhestand gehen.
Den Generationen Y und Z sind Kompetenzen wichtiger als Hierarchien. Sie bereichern die Pflege mit einem neuen, für die Berufsgruppe wichtigen Selbstbewusstsein. Wichtiger als Geld und Status sind ihnen eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. In ihrem Beruf wollen sie Sinn erleben und sie fordern Feedback und klare Strukturen, die Orientierung geben.
Gegenwärtig mündet die Generation Alpha in Ausbildung oder Studium ein. Ob sie ihre berufliche Zukunft in der Pflege sehen ist noch offen. Sie zu gewinnen ist hinsichtlich des war of talents eine der wichtigsten Aufgaben aller Unternehmen des Gesundheitswesens. Wie schon die Generationen Y und Z, sind sie in der digitalen Welt aufgewachsen und erwarten digitalisierte Arbeitsplätze, moderne Technologien und schnelle Entscheidungen.
Die nachfolgende Grafik zeigt, wie hoch das Potenzial für den beruflichen Nachwuchs aussehen könnte. Sie zu gewinnen oder zu verlieren macht einen entscheidenden Unterschied.
Altersstruktur der Pflegekräfte in der Trend-Variante
Integration von internationalen Pflegefachkräften
Die Integration von internationalen Pflegefachkräften ist nicht neu und hatte in Zeiten des Personalmangels der Pflege bereits in den 60iger und 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts Hochkonjunktur. Heute arbeiten je nach Handlungsfeld 11-15% ausländische Pflegefachkräfte in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2021). Die Tendenz ist u.a. durch Initiativen der Bundesregierung steigend. Es gibt zahlreiche Handreichungen und best practise Beispiele in den Gesundheitseinrichtungen zu einer systematischen Integration internationaler Pflegefachkräfte, beispielsweise veröffentlicht im Pflegenetzwerk.
Dennoch zeigt eine Studie von Grace Lugert (2023) zur Mitarbeiterzufriedenheit von philippinischen Pflegefachkräften mit dem Schwerpunkt von Diskriminierung und Rassismus erheblichen Handlungsbedarf auf (abgerufen 27.09.24): https://gracelugert.com/wordpress/wp-content/uploads/2024/02/GLJ-Arbeitsplatz-Studie-Phil.Nurses-09-2023-FokusD_R-de-V20240211.pdf
82% der Pflegefachkräfte, die ihre Vorgesetzten nicht für geschult im Umgang mit multikulturellen Teams halten, berichten von Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen in ihrem Arbeitsumfeld. Nur 61,7 % können bei ihren einheimischen Kolleg*innen eine positive Einstellung zu ausländischen Pflegefachkräften wahrnehmen. Am schlechtesten bewerten die philippinischen Pflegefachkräfte (61%) die Wertschätzung durch die Arbeitgeber. Philippinische Pflegefachkräfte sind hochqualifiziert, kommen mit einem akademischen Abschluss nach Deutschland und bringen häufig exzellente Berufserfahrungen mit. All dies wird nur durch ein mühsames Verfahren anerkannt, ihre hohe medizinisch-pflegerische Fachkompetenz können sie im Berufsfeld kaum einbringen. Für viele sind skandinavische oder angloamerikanische Länder deutlich attraktiver.
Trotz zahlreicher Initiativen und Konzepte zur Integration internationaler Pflegefachkräfte gelingt es im Praxisfeld zu wenig, internationale Pflegefachkräfte für Deutschland zu gewinnen und vor allem zu binden. Die Vereinfachung und Beschleunigung von Einreiseformalitäten und Anerkennungsverfahren sowie die Anpassung von Strukturen, in denen die hochqualifizierten Fachkräfte ihre Kompetenzen einbringen können ist nur eine Seite der Medaille.
Arbeitgeber und die Berufsgruppe der Pflegenden selbst sind gefordert, eine Haltung zu entwickeln, die internationale Pflegefachkräfte mit ihrer höheren Qualifikation wertschätzen und ihnen Möglichkeiten bieten, ihre Kompetenzen und Erfahrungen in unser Gesundheitssystem einzubringen.
3. Lösungsansätze
Verschiedene Altersgruppen gut (zusammen-)führen
- Statt die Generationstypologie als Stereotyp zu verwenden, die einzelnen Persönlichkeiten jeder Generation verstehen und wertschätzen
- Altersbilder im Unternehmen berufsgruppenübergreifend thematisieren, beispielsweise in generationsübergreifenden Workshops
- Personalrekrutierung und Personalentwicklung generationengerecht gestalten
- Arbeitgebermarke und Onboarding generationengerecht ausrichten
- Arbeitszeiten, Arbeitsorganisation, Rollen im Team auf Generationen-Mix hin anpassen
- Dialog zwischen den Altersgruppen fördern, z.B. in Stationsbesprechungen, Workshops, Supervision, Wertewerkstatt
- Patenschaften und Mentoringprogramme etablieren
- Qualifizierungsprogramme für Führungskräfte
Systematisches Integrationskonzept etablieren
- Unterstützen beim Relocationsmanagement (Unterstützung bei Umzug, Behördengänge, Wohnungssuche etc.)
- Integrationsmanagement einrichten (auch bei Kooperation mit Personalagenturen)
- Gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen (Willkommens-Mentoring-Programm, Kontakte vermitteln, Familie in den Blick nehmen)
- Fachliche Einmündung in das deutsche Pflegesystem fördern (angepasste Einarbeitungsprogramme, Training im Skills-Lab vor Praxiseinsatz, Portalstationen für die ersten 3 Monate, Möglichkeiten für Anwendung spezifischer Kompetenzen aus dem Heimatland schaffen)
- Sprachliche Entwicklung fördern (Sprachtrainings bereits vor Einreise, ebenso engen Kontakt bereits vor Einreise durch Videokonferenzen halten, Fachsprache trainieren, Bed-Side-Training mit integrierter Sprachförderung)
- Führungskompetenzen und Teambuilding fördern (Diversity-Management, Führungskräfte und Teams in interkulturellen Fähigkeiten schulen, Konflikte frühzeitig erkennen und bearbeiten)
4. Kultursensibel führen zahlt in alle Mitarbeitenden ein
Der Blick auf das Leben und die Pflege ist immer subjektiv. Hierbei sind die innere Haltung, ebenso wie die eigene Kultur und das eigene Wesen bestimmend für unser Mindset.
Haltung und Kultur lassen sich nicht verordnen. Beides entwickelt sich im besten Fall in Veränderungsprozessen, in denen Menschen unmittelbar beteiligt, miteinander in einen Dialog und in Resonanz treten. Der Beziehungsprozess ist somit der Kern einer kultursensiblen Führung von dem gleichermaßen alle Mitarbeitenden profitieren, egal welcher Generation sie angehören oder aus welchem Kulturkreis sie kommen.
Würden wir unsere innere Haltung ändern, sollten wir die Pflege nicht nur anders sehen, sondern die Pflege selbst würde anders werden.“ (Zitat nach Katherine Mansfield)