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Marktstudie Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie

Teil I: Regionale Versorgungsstrukturen, Fallzahlen und Bettendichte im Bundesländervergleich

31. Juli 2025

Marktstudie Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie

Isabel Bertsch

, Lukas Sobek

Teil I: Regionale Versorgungsstrukturen, Fallzahlen und Bettendichte im Bundesländervergleich

Psychische Gesundheit im Fokus: Ein dynamischer Markt mit wachsendem Versorgungsbedarf

Psychische Erkrankungen zählen heute zu den größten Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem. Laut aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts erhielten im Jahr 2023 mehr als 40 % der Erwachsenen die Diagnose einer psychischen Störung in der ambulanten Versorgung1. Zwischen 2012 und 2022 nahm die Diagnoseprävalenz psychischer Störungen um 13,4 % zu2, wobei sich die Entwicklungen durch die pandemiebedingten Belastungen insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie noch weiter verschärft zu haben scheinen: Mit Beginn der Pandemie war ein Anstieg psychischer Auffälligkeiten sowie ängstlicher und depressiver Symptome um bis zu 12 Prozentpunkte zu verzeichnen; auch zwei Jahre nach Pandemiebeginn lagen die Werte weiterhin über dem Niveau vor der Pandemie3.

Gleichzeitig ist die Versorgungslage angespannt. Rund 40 % der Patienten warten nach Feststellung eines Behandlungsbedarfs zwischen drei und neun Monaten auf einen ambulanten Therapieplatz4. In der elektiven, vollstationären Versorgung müssen Patienten im Durchschnitt 24 Tage auf ihre Aufnahme warten. In der teilstationären Versorgung sind die Wartezeiten mit 34 Tagen im Mittel noch höher5.

Stationäre Versorgung: Regional ungleich, strukturell herausfordernd

Im Jahr 2023 wurden in Deutschland rund 837.762 vollstationäre PEPP-Fälle in psychiatrischen, psychosomatischen und kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken behandelt. Trotz eines leichten Anstiegs gegenüber dem pandemiebedingten Tiefpunkt 2020 liegt das Fallaufkommen weiterhin unter dem Niveau von 2019, als noch  879.701 Fälle registriert wurden. Besonders in der Erwachsenenpsychiatrie und Psychosomatik ist eine Rückkehr auf das präpandemische Fallzahlniveau bislang ausgeblieben. Lediglich die Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigt eine kontinuierlich steigende Fallzahlentwicklung (+17 % seit 2020), was auf eine wachsende Versorgungsnachfrage in dieser Altersgruppe hinweist. Bei der Analyse auf Bundeslandebene zeigen sich in den drei Strukturkategorien mit Blick auf die Fallzahldichte Unterschiede:

Psychiatrie: Fallzahldichte in den neuen Bundesländern höher

Die Fallzahldichte variiert stark zwischen den Bundesländern: Während Mecklenburg-Vorpommern mit 966 Fällen je 100.000 Einwohner deutlich über dem Bundesdurchschnitt (807) liegt, schneidet Baden-Württemberg mit 670 Fällen am niedrigsten ab. Auch Thüringen, NRW und Bremen weisen hohe Inanspruchnahmen auf. Diese Unterschiede lassen sich möglicherweise unter anderem durch sozioökonomische Faktoren, aber auch durch Unterschiede in den regionalen Versorgungsstrukturen erklären.

Anmerkung. Erwachsenenpsychiatrie. Daten beziehen sich auf 2023 u. basieren auf dem Wohnort der Betroffenen; Quelle: Statistisches Bundesamt, PEPP-Statistik.

Auch bei der Bettendichte zeigt sich ein differenziertes Bild: Thüringen (80,8 Betten je 100.000 Einwohner), Mecklenburg-Vorpommern (77,3) und Hamburg (76,1) führen das Feld an, während Bayern (57,4) und Baden-Württemberg (62,7) die Schlusslichter bilden. Insgesamt deutet sich ein Nord-Süd-Gefälle an – sowohl bei der Inanspruchnahme als auch beim stationären Angebot.

Anmerkung. Erwachsenenpsychiatrie. Daten beziehen sich auf 2023 u. basieren auf dem Behandlungsort der Betroffenen; Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser.

Psychosomatik: Süddeutschland mit führender Fallzahldichte

In der psychosomatischen Versorgung liegt Bayern mit 150 Fällen je 100.000 Einwohner klar an der Spitze – fast dreimal so viel wie Mecklenburg-Vorpommern (45). Auch das Saarland und Rheinland-Pfalz zeigen hohe Fallzahldichten. Dies deutet auf eine stärkere Verfügbarkeit psychosomatischer Angebote im Süden hin.

Anmerkung. Psychosomatik.  Daten beziehen sich auf 2023 u. basieren auf dem Wohnort der Betroffenen; Quelle: Statistisches Bundesamt, PEPP-Statistik.

Ein Blick auf die Bettendichte bestätigt dieses Bild: Bayern verfügt mit 37,9 Betten je 100.000 Einwohner über das mit Abstand dichteste psychosomatische Versorgungsnetz. Im Gegensatz dazu weisen Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen (3,6), Bremen (4,2) oder Sachsen (4,5) eine vergleichsweise geringe Bettendichte auf.

Anmerkung. Kinder- und Jugendpsych. Daten beziehen sich auf 2023 u. basieren auf dem Behandlungsort der Betroffenen; Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser.

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Alle neuen Bundesländer über dem Durchschnitt

Bei der Fallzahldichte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie liegen alle neuen Bundesländer deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 74 Fällen je 100.000 Einwohner. An der Spitze steht Mecklenburg-Vorpommern mit 119 Fällen, gefolgt von Sachsen-Anhalt (110), Schleswig-Holstein (93) und Thüringen (93). Diese Zahlen zeigen eine hohe Inanspruchnahme stationärer Leistungen bei Einwohnern in den östlichen Bundesländern. Neben einer erhöhten Bedarfslage könnte dies auch auf unzureichende ambulante Versorgungsalternativen hinweisen.

Anmerkung. Kinder- und Jugendpsych. Daten beziehen sich auf 2023 u. basieren auf dem Wohnort der Betroffenen; Quelle: Statistisches Bundesamt, PEPP-Statistik.

Die ostdeutschen Länder weisen zudem die höchsten Bettendichten auf: Sachsen-Anhalt (16,8), Thüringen (14,6) und Mecklenburg-Vorpommern (13,4) liegen klar über dem bundesweiten Mittelwert von 8,1 Betten je 100.000 Einwohner. Demgegenüber stehen große westliche Bundesländer wie NRW (6,5), Bayern (6,1) und Baden-Württemberg (6,9) mit deutlich niedrigeren Kapazitäten.

Anmerkung. Kinder- und Jugendpsych. Daten beziehen sich auf 2023 u. basieren auf dem Behandlungsort der Betroffenen; Quelle: Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser.

Fazit

Die Marktanalyse weist auf regionale Varianzen im Ländervergleich hin. Mögliche Ursachen für den Regionalitätsfaktor können vielfältig sein:

  • Unterschiedliche Ausbaustufen in der Ambulantisierung können die Inanspruchnahme vollstationärer und teilstationärer Leistungen verändern.
  • Z.B. kann der begrenzte Zugang zu psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) oder niedergelassenen Fachärzt:innen dazu führen, dass stationäre Strukturen stärker in Anspruch genommen werden.
  • Gleiches gilt für die Ø Verweildauern, die in der Psychiatrie klassischerweise tendenziell stärker schwanken als in der Somatik – dadurch können unterschiedlich hohe oder niedrigere Kapazitätsbedarfe entstehen gleichwohl die Fallzahlen pro 100.000 Einwohner ähnlich sind.
  • Sozioökonomische Faktoren können Einfluss auf regional unterschiedliche Erkrankungsprävalenzen nehmen.
  • Auch in der Krankenhausplanung können sich Unterschiede in deren Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung ergeben, die sich auf die Versorgungslandschaft im Bundesland auswirken.

Die Erkenntnisse aus der Marktstudie unterstreichen die Notwendigkeit, regionale Unterschiede systematisch zu identifizieren und mit den vor Ort tätigen Einrichtungen bedarfsorientierte Versorgungsstrukturen aufzubauen. Dabei ist nicht nur der Ausbau von stationären Angeboten, sondern insbesondere die gezielte Stärkung ambulanter Alternativen entscheidend, um Versorgung wohnortnah, niedrigschwellig und effizient zu gestalten.

Autor: Lukas Sobek

Ansprechpartnerin: Isabel Bertsch

Referenzen

1 Robert Koch-Institut. (2024).Psychische Störungen: Administrative Prävalenz (ab 18 Jahre). Gesundheitsberichterstattung des Bundes. https://www.gbe.rki.de/DE/Themen/Gesundheitszustand/PsychischeStoerungen/PsychischeStoerungenInsgesamt/PsychischeStoerungenAdministrativePraevalenz/psychischeStoerungenAdminPraevalenz_node.html?darstellung=0&kennzahl=1&zeit=2023&geschlecht=0&standardisierung=0

2 Thom, J., Jonas, B., Reitzle, L., Mauz, E., Hölling, H. & Schulz, M. (2024). Trends in the diagnostic prevalence of mental disorders, 2012–2022—using nationwide outpatient claims data for mental health surveillance. Deutsches Ärzteblatt International, 121(11), 355–362. https://doi.org/10.3238/arztebl.m2024.0052

3 Reiß, F., Kaman, A., Napp, A., Devine, J., Li, L. Y., Strelow, L., Erhart, M., Hölling, H., Schlack, R. & Ravens-Sieberer, U. (2023). Epidemiologie seelischen Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus 3 Studien vor und während der COVID-19-Pandemie. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz66(7), 727–735. https://doi.org/10.1007/s00103-023-03720-5

4 Bundespsychotherapeutenkammer. (2021). BPtK-Auswertung: Monatelange Wartezeiten bei Psychotherapeut*innen. https://www.bptk.de/pressemitteilungen/bptk-auswertung-monatelange-wartezeiten-bei-psychotherapeutinnen/

5 Deutsches Krankenhausinstitut. (2024). Psychiatrie Barometer. https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/1_DKG/1.7_Presse/1.7.1_Pressemitteilungen/2024/2024-07-12_PM_Anlage_DKI-Psych-Barometer.pdf

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