Ein versorgungspolitischer Blick von Philipp Leibinger
Mit der Einführung von § 40 KHG verknüpft der Gesetzgeber die stationäre Leistungserbringung künftig an fallzahlbezogene Strukturvorgaben. Ziel dieser Neuregelung ist es, die Ergebnisqualität stationärer Leistungen durch Mindestmengen zu verbessern und die Versorgung zu konzentrieren. Gleichzeitig ergeben sich daraus weitreichende strukturelle Implikationen – insbesondere in der spezialisierten Versorgung, etwa in der onkologischen Chirurgie.
Um diese strukturellen Auswirkungen konkret greifbar zu machen, wurde eine exemplarische Analyse des Indikationsbereichs Harnblase durchgeführt. Ziel war es, auf methodisch nachvollziehbare Weise darzustellen, wie sich die gesetzlich vorgesehene Fallzahlgrenze auf die gegenwärtige Versorgungslandschaft auswirken könnte.
Methodisches Vorgehen
Die Analyse basiert auf folgenden Schritten:
- Identifikation relevanter OPS- und ICD-Kodes
Die Auswahl erfolgte gemäß den Kriterien, die durch InEK und BfArM im Rahmen des Reformprozesses definiert wurden. - Zuordnung der Leistungen zu Standorten
Auf Grundlage der Kodes wurden Fallzahlen pro Einrichtung erhoben, um die Verteilung onkochirurgischer Leistungen im Bereich Harnblase bundesweit zu erfassen. - Abgleich mit der gesetzlichen Fallzahlgrenze
Die analysierten Standorte wurden dahingehend bewertet, ob sie die Schwelle von 4.870 Fällen erreichen, wie sie in § 40 KHG definiert ist. - Kartografische Darstellung der Versorgungssituation
Zur Visualisierung der möglichen strukturellen Veränderungen wurden die Standorte vor und nach Anwendung der Fallzahlgrenze auf Kartenebene abgebildet.
Ergebnisse: Versorgungsschwerpunkte und potenzielle Verschiebungen
Im Bereich Harnblase wurden insgesamt 32.472 Fälle identifiziert, die sich aktuell auf 781 Einrichtungen verteilen. Nach Anwendung der gesetzlichen Fallzahlgrenze ergeben sich folgende Eckdaten:
- 509 Einrichtungen (entspricht rund 65 Prozent) unterschreiten die geforderte Fallzahl
- Diese Einrichtungen wären demnach perspektivisch nicht mehr berechtigt, entsprechende Leistungen unter den neuen Vorgaben zu erbringen
Die Analyse zeigt, dass ein erheblicher Teil der derzeitigen Versorgungslandschaft unter die Mindestmenge fällt. Damit würde sich die Struktur spezialisierter Versorgungseinrichtungen im Indikationsbereich Harnblase deutlich verändern.

Interpretation und Einordnung
Diese Auswertung versteht sich nicht als Prognose, sondern als modellhafte Annäherung an ein mögliches Szenario unter den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die verwendeten Daten basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und methodisch transparenten Annahmen.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass der § 40 KHG nicht nur medizinische Standards adressiert, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die regionale Erreichbarkeit, Leistungsdichte und Versorgungsrealität haben kann – insbesondere in spezialisierten chirurgischen Bereichen.
Die exemplarische Betrachtung unterstreicht die Notwendigkeit, gesetzliche Strukturvorgaben in enger Verbindung mit Versorgungsforschung, regionaler Planung und realer Kapazitätsverteilung zu interpretieren.